Tatsächlich überlebt Friedrich Nietzsche seinen Zusammenbruch 11 Jahre und 8 Monate, obwohl die Ärzte (sowohl der behandelnde Arzt in Basel, Dr. Wille als auch kurze Zeit später Prof. Binswanger in Jena) darin übereinstimmen, daß Nietzsche höchstens noch zwei Jahre zu leben hat. Angekommen in Basel wird Nietzsche am 10. Januar von seinem Freund Overbeck in das Irrenspital Basel eingeliefert. Ab diesem Moment wird Nietzsche nicht mehr ohne Aufsicht und Pflege leben können. Ab diesem Zeitpunkt kommt es zu einem stetigen Verfall des Bewußtseins - Nietzsche, so die Ärzte überstimmend, ist unheilbar, ein hoffnungsloser Fall. Über die Art der Krankheit existieren Spekulationen - eine neue These lautet, Nietzsche hätte an einem Hirntumor gelitten, öfter wird jedoch die Syphillis ins Spiel gebracht. Mitte Januar 1889 reist Nietzsches Mutter nach Basel und holt ihren Sohn ab, um ihn nach Jena in die Psychiatrische Universitätsklinik zu bringen. Über ein Jahr verbringt Nietzsche nun in der Klinik, die von Prof. Binswanger geleitet wird. Die Beschreibung der Einzelheiten seines geistigen Verfalls und seiner Anfälle in der Jenenser Klinik sind unnötig. Nur Fetzen seiner früheren Persönlichkeit zeigen sich sporadisch: seine Höflichkeit, seine Liebe zur Musik und zu langen Spaziergängen durchbrechen das Krankheitsbild. Am 26. November 1889 wird Friedrich Nietzsche entmündigt. Während dieser Zeit kommt es zu einem peinlich-absurden Heilungsversuch. Der philiströse kulturkritische Schriftsteller Julius Langbehn (1851-1907), der sich verquast 'Rembrandtdeutscher' nennt (er hatte ein Buch mit dem Titel 'Rembrandt als Erzieher' verfaßt, daß vor der Jahrhundertwende unzählige Auflagen erlebte), verspricht die Genesung des von ihm bewunderten Nietzsches mittels einer Gesprächstherapie auf langen Spaziergängen. Die Mutter in ihrer Verzweiflung läßt ob der vollmundigen Versprechungen Langbehn gewähren. Auch hier ist es der Freund Overbeck, der anläßlich des Besuches in Jena im März 1890 dem ganz und gar erfolglosen Spuk endlich ein Ende bereitet und so erneut seine unverbrüchliche Freundschaft beweist. Er unterhält mit Nietzsches Mutter einen regelmäßigen Briefwechsel - stets bereit zu helfen. Nach einer kurzen Phase in einer Privatwohnung in Jena bringt die Mutter ihren Sohn Friedrich nach Naumburg in den Weingarten 18, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Hier lebt Friedrich Nietzsche bis Juli 1897. Seine Anfälle häufen sich nun, so daß ab 1893 sogar die Spaziergänge durch Naumburgs Umgebung eingestellt werden. Je schneller Nietzsches Geist erlischt, umso stärker beginnt nun sein Werk zu leuchten. Schon 1892 setzten sich bereits zwei Duzend Artikel oder Bücher mit Nietzsches Person und Philosophie auseinander. Heinrich Köselitz, der bewundernde Freund Nietzsches, beginnt eine erste Gesamtausgabe des Werkes in die Tat umzusetzen. Plötzlich verkaufen sich die Werke Nietzsches. Weder den Ruhm noch den finanziellen Erfolg realisiert Nietzsche. |