Am 8. August 1870 schreibt der patriotische Nietzsche aus dem Urlaubsort im Maderanertal an den für die Universität zuständigen Baseler Ratsherr Wilhelm Vischer-Bilfinger:"Verehrtester Herr Rathsherr, in der gegenwärtigen Lage Deutschlands darf Ihnen mein Entschluss nicht unerwartet sein, dass auch ich meinen Pflichten gegen das Vaterland zu genügen suche. In dieser Absicht wende ich mich an Sie, um mir - durch Ihre Fürsprache bei dem wohllöbl. Erziehungscollegium - Urlaub für den letzten Theil des Sommersemesters zu erbitten. Mein Befinden ist jetzt derart gekräftigt, daß ich ohne jede Bedenklichkeit als Soldat oder als Krankenpfleger mich nützlich machen kann. Dass ich aber auch das geringe Scherflein meiner persönlichen Leistungsfähigkeit in den Opferkasten des Vaterlandes werfen muss, das wird niemand so natürlich und billigenswerth finden als gerade eine schweizerische Erziehungsbehörde." Am 11. August wird die Beurlaubung des nunmehr Baslers Nietzsche allein für den Sanitätsdienst bewilligt, obwohl Nietzsche, wie die Schwester später in ihrer tendenziösen Biographie schreibt, "lieber als Krieger mitgegangen wäre". Nach einer kurzen Sanitätsausbildung in Erlangen, muß Nietzsche schließlich in den letzten Augusttagen 1870 über Karlsruhe zum Kriegsschauplatz in den Elsass und erlebt die Schlacht um Metz mit - Bei einen Verwundetentransport erkrankt Nietzsche auf der Fahrt zum Lazarett in Karlsruhe am 3. September an Ruhr und Rachendiphtherie. Bis Mitte September wird er in Karlsruhe und Erlangen behandelt und verbringt die Rekonvaleszenz in Naumburg bei seiner Mutter. Sein gesundheitlicher Zustand läßt es nicht zu, daß Nietzsche noch einmal zum Kriegschauplatz zurückkehrt, obwohl er das, wie er schreibt, gerne wünscht. Ende Oktober ist Nietzsche von dem nutzlosen Kriegsabenteuer wieder zurück in Basel. An den Folgen seiner Ansteckungskrankheiten wird Nietzsche später immer wieder laborieren. Im Verlauf der nächsten Monate schon steht Nietzsche dem ganzen Krieg zunehmend skeptisch gegenüber, später wird er den Sieg Deutschlands gegen Frankreich sogar als Ausgangspunkt einer von Selbstzufriedenheit und Saturiertheit geprägten deutschen Unkultur interpretieren - ein Sieg ist eine große Gefahr, schreibt Nietzsche und er warnt davor, den militärischen Erfolg als Sieg der deutschen Kultur zu deuten. Das ganze Bayreuth-Projekt, das Nietzsche so intensiv fördert, wird von ihm wesentlich als ein kulturpolitisches Unternehmen gesehen, doch mit der Gründung des deutschen Reiches wird mit einem Mal die Bedeutung einer möglichen geistigen Neuorientierung durch Wagner und Nietzsche die Spitze genommen. Wagners Festspiele geben schließlich nur die Begleitmusik, doch Nietzsche will, wie sich später zeigt, eine totale kulturelle und geistige Erneuerung. Insofern trägt auch der Deutsch-Französische Krieg langfristig gesehen zu der Entfremdung zwischen Nietzsche und Wagner bei. Nachdenkenswert ist die Episode Nietzsche als Soldat jedenfalls allemal. |